Eine der eindrucksvollsten archäologischen Stätten Griechenlands liegt am Südrand der makedonischen Tiefebene in der Nähe von Veria. Bereits im 19. Jh. vermuteten Archäologen, dass sich hier, beim heutigen Dorf Vergina, Aigai befunden haben könnte, das bis 410 v. Chr. die Hauptstadt des makedonischen Reiches war. Auf eine frühe Besiedelung des Gebietes weist eine nordöstlich des heutigen Ortes entdeckte Nekropole hin. Von den etwa 300 Hügelgräbern wurden bisher nur wenige geöffnet, doch aus den dort gemachten Funden lässt sich schließen, dass die Tumuli in der Zeit zwischen 1000 – 700 v. Chr. angelegt wurden. Die zu der Nekropole gehörende Siedlung wurde noch nicht entdeckt.
Südöstlich des Dorfes wurden auf einer Anhöhe die Ruinen eines imposanten Palastes aus dem 4. Jh. v. Chr. freigelegt. Sowohl die Ausmaße (104,5m x 88,5m), als auch die Ausstattung, z. B. mit kunstvollen Mosaikböden und stuckverzierten Architekturgliedern, erlauben die Annahme, dass es sich hier um eine bedeutende Anlage gehandelt hat. Im unteren Stockwerk des zweigeschossigen Palastes waren um einen quadratischen, mit einem Säulengang umgebenen Innenhof Repräsentations- und Speiseräume für Festgelage untergebracht, oben befanden sich die Privatgemächer. Von den nach außen geöffneten Säulenhallen an der Nord- und Ostseite des Palastes konnte man den schönen Ausblick in die Umgebung genießen. Offenbar war Aigai also auch nach der Verlegung der makedonischen Hauptstadt ins neugegründete Pella eine bedeutende Stadt des makedonischen Königshauses. Wenn man bedenkt, dass der makedonische Königshof – ähnlich den deutschen Kaisern im Mittelalter – viel auf Reisen war und deshalb an mehreren Orten, Residenzen besaß, ist dies nicht weiter verwunderlich. Ganz in der Nähe des Palastes von Aigai wurden noch ein kleiner Tempel, mehrere makedonische Kammergräber und ein Theater entdeckt. Auch wenn von der einstigen Pracht nur noch Ruinen blieben, ist dies ein Ort, an dem Geschichte hautnah erlebbar wird. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie sich der ruhmreiche Makedonenkönig Philipp II. im Jahr 336 v. Chr. festlich gekleidet auf den Weg ins nahe gelegene Theater machte, um die Hochzeit seiner Tochter Kleopatra zu feiern. Wir wissen aus der Überlieferung, dass für König Philipp II., den großen Heerführer und klugen Strategen, dieser Weg sein letzter werden sollte: er wurde von seinem Leibwächter Pausanias hinterrücks erstochen.
Es bestanden bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts Zweifel, ob es sich bei der archäologischen Stätte bei Vergina tatsächlich um Aigai handelt. Doch in den Jahren 1976/77 und 1978 machte das griechische Archäologenteam unter Manolis Andronikos einen Sensationsfund, der weitere Belege dafür lieferte, dass das antike Aigai tatsächlich hier zu lokalisieren ist: bei ihren Grabungen in dem großen Tumulus (Durchmesser 110 m, mittlere Höhe 12 m) bei Vergina entdeckten sie nach jahrelangen Ausgrabungen mehrere Gräber, darunter ein monumentales Grab und ein kleineres Grab, die von Plünderungen verschont geblieben waren. Vermutlich hat es den Archäologen zunächst einmal die Sprache verschlagen angesichts der beeindruckenden Größe und Architektur des Grabes und der unermesslichen Reichtümer, die sich in den Gräbern befanden. Das größere Grab hat zwei Kammern, misst 9,5 x 4,5 m und hat eine aufwändig im dorischen Stil gestaltete Außenfront mit einer von Halbsäulen eingerahmten Tür, Eckpilastern und einem Metopen-Triglyphen-Fries. Darüber erhebt sich eine Zone mit einem vielfarbigen Bilderfries, auf dem Jagdszenen dargestellt sind. Schon in der Vorkammer fanden die Archäologen eine überwältigende Fülle an Grabbeigaben, darunter eine Larnax aus reinem Gold und ein Diadem mit Eichenblättern und Eicheln aus purem Gold. Noch reichere und wertvollere Funde aus Gold, Silber und Elfenbein entdeckten sie in der eigentlichen Grabkammer. Waffen, Geschirr für Festgelage, Amphoren, Schmuck, reich mit Elfenbeinschnitzereien und goldener Hinterglasmalerei dekorierte Liegen, golddurchwirkte Purpur-Stoffe, damit es den Toten im Jenseits an nichts mangeln würde. Es war klar, dass die hier Bestatteten, ein Mann mittleren Alters und eine Frau, königlichen Geblüts gewesen sein mussten. Aus den reichen Grabbeigaben und der Tatsache, dass der Schädel des Mannes eine Augenverletzung aufwies, wie sie von König Philipp bekannt war, schloss man, dass dies das Grab des Makedonenkönigs Philipp II. Sein musste. Neueste Forschungen im Jahr 2015 führten allerdings, u. a. durch inzwischen weiter entwickelte wissenschaftliche Möglichkeiten wie Knochenanalysen, zu der Vermutung, dass in diesem Grab doch nicht König Philipp II. bestattet wurde sondern König Philipp III Arrhidaos, der Nachfolger von Alexander dem Großen, und seine Gemahlin Eurydike. Der Leichnam von Philipp II. Und seiner damals ebenfalls ermordeten jungen Frau Kleopatra sowie ihrem neugeborenen Kind befanden sich nach diesen neuen Forschungsergebnissen in dem leider geplünderten Grab, das wegen des Themas seiner Malereien in herausragender Qualität als „Persephone-Grab“ benannt wurde. In welchem der Gräber König Philipp II. nun auch seine letzte Ruhe fand: es darf als sicher gelten, dass der Große Tumulus von Vergina die Grabstätte der makedonischen Könige war. In dem ebenfalls von Plünderungen verschont gebliebenen kleineren Grab (Prinzengrab, 6,35 x 5 m) vermutet man die letzte Ruhestätte von Alexander IV., dem Sohn Alexanders des Großen. Nach Beendigung der Ausgrabungen am Tumulus – im restlichen Gebiet um Vergina dauern die Ausgrabungen bis heute an - wurde der zuvor abgetragene Hügel künstlich wieder aufgeschüttet und zu einem wirklich beeindruckenden und sehenswerten Museum ausgebaut. Hier sind neben den Gräbern inzwischen auch die kostbaren Grabbeigaben aus dem Großen Tumulus zu sehen, die früher im Archäologischen Museum von Thessaloniki untergebracht waren. Im Museum wird auch die Geschichte der Ausgrabungen dargestellt und an den im Jahr 1992 verstorbenen großen Archäologen Manolis Andronikos erinnert, der sein Leben der Erforschung Verginas gewidmet hat und dessen unermüdliche Arbeit diese unschätzbar wertvollen Funde ans Licht gebracht hat. Vergina zählt seit 1996 zum UNESCO Weltkulturerbe.