Nick Ashdon hat in Cambridge englische Literatur studiert und die Royal Academy of Dramatic Art in London besucht. Womöglich deshalb spielt der 27 Jahre junge Brite einen Domenikos Theotokopoulos, einen El Greco, der „jeden- unabhängig seiner Nationalität - berühren wird. El Greco ist seine erste Kinorolle und mit Hilfe des Regisseurs Yannis Smaragdis meistert er sie bravourös. Er spielt einen El Greco, der an den Menschen glaubt, einen Revolutionär seiner Zeit, der gleichzeitig zutiefst vom göttlichen Element beeinflusst ist“.
M. Bakopoulou: Wie bist du zu der Rolle des El Greco gekommen?
N. Ashdon: Die Produktionsfirma, die das Casting in England durchführte, hat eine E-mail an die RADA geschickt, in der sie darum baten, dass sich sechs Leute vorstellen mögen. Unter diesen sechs war auch ich. Ich habe El Greco und sein Werk schon immer bewundert, ich hatte Ausstellungen von ihm in London gesehen und war auch im Prado gewesen und deshalb habe ich sofort voller Freude zugesagt, als ich von diesem konkreten Projekt erfuhr. Zu der Zeit spielte ich in einem Stück von Tschechow am Theater und zufällig sollte ich mich am nächsten Tag für den Film vorstellen. Also lud ich Jiannis Smaragdis, ohne ihn persönlich zu kennen und zu wissen wie er aussieht, in die Vorstellung ein. Als ich dann von der Bühne ins Publikum blickte und ihn sah, wusste ich sofort, dass nur er es sein konnte. Am nächsten Tag ging ich zum Vorsprechen, wir unterhielten uns angeregt über das Szenario, stellten fest, dass wir in vielen Dingen übereinstimmende Ansichten hatten und zudem geschah etwas sehr ungewöhnliches: Obwohl Jiannis Smaragdis griechisch sprach und ich englisch, verstanden wir doch einer den anderen.
M. Bakopoulou: Wie hast du dich gefühlt, als du erfuhrst, dass du der El Greco des Kinos werden würdest?
N. Ashdon: Ich konnte es kaum glauben. Natürlich habe ich mich ungemein gefreut. Als ich dann das Drehbuch las, wurde mir klar, dass ich mein Bestes geben musste. Aber erst als wir unsere ersten Drehtage auf Kreta hatten, wurde mir bewusst, wie außergewöhnlich alles war. Ich verstand, welche Bedeutung der Film für die Griechen hat, und vor allem für die Kreter, die seine Entstehung mit größtem Interesse verfolgen.
M. Bakopoulou: Wie fühlst du dich heute, einige Monate nach Drehbeginn und kurz vor Beendigung des Films? Meinst du, dass die Interpretation deiner Rolle schwierig ist? Oder interessant? Oder voller Magie?
N. Ashdon: Sie ist alles zusammen. Jeder einzelne Drehtag ist schwierig, interessant und magisch zugleich. Es ist ein Film, der mit besonderer Leidenschaft entsteht. Wir arbeiten hart und ich persönlich lerne jeden Tag sehr viel Neues. Und natürlich ist es auch eine bezaubernde Erfahrung. Jeden Moment kann etwas geschehen, was mich sagen lässt: „Das, was gerade passiert ist, ist phantastisch!“
M. Bakopoulou: Gab es Vorbereitungen, die du für die Rolle getroffen hast, um dich so dem Phänomen El Greco näher zu fühlen?
N. Ashdon: Ich war vor Drehbeginn längere Zeit auf Kreta, um die einzigartige Mentalität der Einheimischen zu erspüren, ihre Leidenschaft, Liebe und ihre Verbundenheit zu Erde und Meer, d.h. Erfahrungen, die so ganz anders sind, als die, die ein junger Mann macht, der wie ich in London aufgewachsen ist. Zugleich habe ich mich sehr in der Malerei geübt, einem Bereich, mit dem ich mich zuvor noch nicht beschäftigt hatte. Sie gefällt mir sehr und ich werde mich auch nach Ende der Dreharbeiten weiter mit ihr beschäftigen.
M. Bakopoulou: Du spielst zum ersten Mal in einem Kinofilm mit und verkörperst gleich solch eine große Persönlichkeit. Hast du gar keine Angst?
N. Ashdon: Ich würde sagen, ich spüre mehr Begeisterung als Angst. Natürlich denke ich manchmal daran, wie viele Menschen von mir abhängig sind: Produzenten, Techniker, Regisseure und viele andere. Aber das, was zu den Leute gelangt, ist das, was sie auf der Leinwand sehen. Wir Schauspieler haben die sehr große Verantwortung, den Menschen eine Zusammenfassung der Arbeit zu übermitteln, die lange Zeit zuvor gemacht worden ist.
M. Bakopoulou: Spielst du lieber Theater- oder lieber Filmrollen?
N. Ashdon: Beides mag ich. Es sind zwei unterschiedliche Dinge. Theaterspielen ist eine komplexere Erfahrung, weil man über Wochen probt und jeden Abend eine andere Reise antritt. Man gibt seine Energie, und das Bedeutende ist, dass man sie durch die Reaktion des Publikums sofort zurückgewinnt. Beim Drehen eines Kinofilms muss man sehr genau sein und probt oft an einer Szene, die schließlich einfach abgedreht wird.
M. Bakopoulou: Was für einen El Greco werden wir zu sehen bekommen? Einen, der mehr „vom griechischen Geist geprägt ist“ oder mehr „einen Bürger Europas“?
N. Ashdon: Das Besondere an El Greco ist sein fortwährender Kampf, irgendwohin gehören zu wollen. Er stammte zwar von Kreta und hatte die kretische Seele und Mentalität, aber auf der anderen Seite war er dort unglücklich; er konnte dort nicht leben. Das gleiche gilt auch für seinen Aufenthalt in Venedig. In Spanien fühlte er sich glücklich, er war mit einer Frau zusammen, bei der er sich sehr wohl fühlte, er konnte malen, aber dort begann ein neuer Kampf mit dem Großinquisitor Guevara. Der ganze Film zeigt den Kampf El Grecos, eine starke Bindung zu einem Ort zu schaffen. Das merkwürdige mit den großen Talenten ist, dass ihre Gedanken immer irgendwo anders sind, jenseits der gewöhnlichen Sorgen, die normale Menschen haben.
M. Bakopoulou: Wie ist die Zusammenarbeit mit Yannis Smaragdis?
N. Ashdon: Alles hat ganz zauberhaft angefangen und so setzt es sich auch fort. Smaragdis hat eine große Leidenschaft für den Film und er ist in allem die treibende Kraft. Er unterstützt mich sehr und er vertraut mir. Wir arbeiten sehr gut zusammen und ich habe den Eindruck, dass der eine den anderen ergänzt.
M. Bakopoulou: Die Bilder El Grecos spiegeln eine tiefe Beziehung zu Gott wider. Gleichzeitig war er jedoch auch ein Revolutionär seiner Zeit, einer, der sich widersetzte. Wie ist es möglich, diese beiden Seiten zu verbinden?
N. Ashdon: Das ist es, was die Schönheit und Kraft seines Charakters ausmacht. Und das ist es, was wir auch in seiner Beziehung zu Guevara, der fanatisch religiös war, sehen können. Ich würde El Greco als einen Baum und Guevara als eine Wand bezeichnen. Bei starkem Wind neigt sich der Baum mal zur einen, mal zur anderen Seiten, aber er stürzt nicht ein, wie die Wand.
M. Bakopoulou: Welche dieser zwei Seiten El Grecos kommt im Film mehr zum Tragen?
N. Ashdon: Beide Seiten gleich stark und ich glaube, dass das etwas ist, was im Film sehr gut gemacht ist: Er gibt keine Antworten auf Fragen. Er wirft Fragen auf und lässt das Publikum entscheiden, was es in einer ähnlichen Situation täte.
M. Bakopoulou: El Greco war ein großer Künstler, aber auch ein Mensch mit starken Gefühlen. Ist die Liebe die treibende Kraft deines El Greco?
N. Ashdon: Der Mittelpunkt des Films ist die Liebe. Es gibt viele Arten von Liebe, die zum Ausdruck gebracht werden: die Liebe zwischen Mann und Frau, die tiefe freundschaftliche Liebe unter Männern, die Liebe zur Heimat, die Liebe zu Gott. Und immer gibt es auch die andere Seite der Liebe: zu etwas Gutem gibt es immer auch ein Spiegelbild. Der Liebe Spiegelbild ist der Hass oder die Angst. Wenn man jemanden liebt, hat man keine Angst.
M. Bakopoulou: Glaubst du an den Erfolg des Films?
N. Ashdon: Ja, denn eine Geschichte wie diese spricht nicht ein konkretes Land an, d.h. die Griechen, Italiener oder Spanier. El Greco hat für etwas gekämpft, was keine Nationalität kennt: er kämpfte für den menschlichen Geist. Und das ist eine Ebene, die meiner Meinung nach uns alle anspricht.
M. Bakopoulou: Nehmen wir an, der Film wird ein großer Erfolg und mit ihm der El Greco, den du auf der Leinwand darstellst. Hast du Angst, das dich dies in deiner weiteren Karriere behindern könnte?
N. Ashdon: Nein, davor habe ich keine Angst. Es ist mir eine große Ehre, El Greco spielen zu dürfen und ich würde mich freuen, wenn sich das Publikum später daran erinnerte. Natürlich werde ich im Anschluss versuchen, einen völlig anderen Charakter darzustellen, und auch den so glaubwürdig wie möglich. Das ist das Besondere an der Schauspielerei: Man muss bei allem, was man tut, immer hundert Prozent geben, aber dann muss man es vergessen.