Die Landschaft Pieria, in der die dem Zeus heilige Stadt Dion am nordöstlichen Fuße des Olymp liegt, war schon in der griechischen Mythologie von Bedeutung. Hier lebten Magnes und Makedon, die beiden Söhne, die aus der Verbindung von Zeus und Thyia hervorgegangen waren. Thyia war die Tochter des Deukalion, den die Mythologie als Stammvater der Griechen ansieht. Aus dem durch Dion fließenden Fluß Elikonas sollen von den in Pieria geborenen Töchtern des Zeus, den Musen, die Glieder des von in dionysischer Ekstase rasenden Frauen zerrissenen Orpheus geborgen und in einem Steinkrug bestattet worden sein.
Baugeschichtlich tritt Dion im 7. Jh. v. Chr. durch die Errichtung eines Demeter-Tempels in Erscheinung, als Stadt wird es im 5. Jh. v. Chr. erstmals erwähnt. In dieses Jahrhundert fällt auch die Thronbesteigung des makedonischen Königs Archelaos. Dieser verlegte die makedonische Hauptstadt von Aigai nach Pella. Außerdem reorganisierte er nicht nur das makedonische Staatswesen und reformierte das Heer. Archelaos war es auch, der die szenischen und sportlichen Wettkämpfe, die „Olympien von Dion“ einführte. Ein kluger Schachzug, denn damit unterstrich er den Anspruch der Makedonen, von den griechischen Städten als „vollwertige“ Griechen anerkannt zu werden und nicht weiter als „Halbbarbaren“ zu gelten.
Vermutlich unter Kassander erhielt die Stadt im 5. Jh. v. Chr. ihre heute noch erkennbare Befestigung mit fast quadratischem Grundriss. Nur an der Ostseite folgte die Stadtmauer dem Verlauf des in der Antike schiffbaren Flusses Vaphyras. Entlang der heute wieder freigelegten, schnurgerade verlaufende Hauptstraße lagen zahlreiche Läden und Werkstätten. Außerhalb der Stadt lagen die Heiligtümer des Zeus, der Demeter, das Asklepion und das Theater, in dem vielleicht Stücke des ab 408 v. Chr. am makedonischen Königshof lebenden Dramatikers Euripides uraufgeführt wurden.
Im 2. Jh. v. Chr. übernahmen die Römer die Herrschaft in Dion, um etwa 30 v. Chr. wurde Dion zur römischen Kolonie erhoben. Noch in der Spätantike war die Stadt Bischofssitz, Siedlungsaktivitäten sind bis ins 8. Jahrhundert nachweisbar. In der osmanischen Zeit wurde Dion in Malatria umbenannt und verlor nach mehreren Zerstörungen durch Naturkatastrophen und feindliche Überfälle zusehends an Bedeutung.
All diese Epochen haben ihre Spuren hinterlassen, die heute auf dem weiträumigen, als Archäologischer Park angelegten Grabungsgelände besichtigt werden können.
Bei einem Rundgang kann man vieles davon besichtigen: unter vielem Anderen die alte Stadtmauer und die ehemalige Hauptstraße mit den an sie angrenzenden Läden, Werkstätten und Wohnhäusern, das hellenistische Theater und die Heiligtümer der Demeter und des Dionysos. Aus der Epoche der römischen Herrschaft stammen das römische Theater, die Großen Thermen und die „Villa des Dionysos“ mit ihrem ausgezeichneten Mosaik. Aus der byzantinischen Zeit haben sich die Reste einer großen Basilika mit Mosaikfußboden erhalten.
Nur 500 m vom Grabungsgelände entfernt liegt das Archäologische Museum von Dion im modernen Ort Dio inmitten einer hübschen Gartenanlage. Es präsentiert Funde, die in Dion und im weiteren Gebiet der Präfektur Pieria entdeckt wurden. Die Skulpturen, Bauornamentik, Keramik, Waffen und Inschriften sind nach Fundzusammenhängen geordnet und vermitteln ein anschauliches Bild der verschiedenen Ausgrabungen. Von herausragender Bedeutung ist die einzigartige Hydraulis von Dion, die in einem eigenen Ausstellungsraum zu sehen ist. Es handelt sich dabei um eine Wasserorgel, ein Musikinstrument, das im 3. Jh. v. Chr. in Alexandria erfunden wurde. Die Hydraulis aus Dion stammt aus dem 1. Jh. v. Chr. und stellt das älteste bislang gefundene Instrument dieses Typus dar, das von der hellenistischen über die römische bis in die byzantinische Zeit überaus beliebt war und auch am Kaiserhof von Byzanz gespielt wurde. Aus diesem Instrument hat sich später die Kirchenorgel entwickelt. Von der Hydraulis in Dion sind noch die Bronzepfeifen zu sehen und die Platten, die diese zusammenhielten. Wer den Archäologischen Park von Dion besichtigt, sollte es also auf keinen Fall versäumen, genug Zeit einzuplanen, um auch dem archäologischen Museum einen Besuch abzustatten zu können.