Eine Flamme, ein Feuer, hab ich in meinem Herzen,
als hättest du mich verhext, süße Frankosyriani.
Wer kennt es nicht, dieses wohl berühmteste Lied, komponiert und gespielt von dem aus Ano Syros stammenden, neben Vassils Tsitsanis wohl bekanntesten Rembeten, Markos Vamvakaris.
In der ersten Übersetzung die ich fand, war Frankosyriani mit „frankophonisches Mädchen“ übersetzt. Eindeutig falsch, wie ich später herausfand. Als Franken bezeichneten die Griechen nämlich alle die aus dem nicht orthodoxen Westeuropa kamen. Darum wurden die Katholiken, mit ihrem westlichen Glauben, auf Syros als „Franken-Syrioten“ bezeichnet.
Wir waren schon 1996 bereits einmal auf Syros. Damals hat uns die Besitzerin im kleinen Hotel mit einem französisch klingenden Namen in perfektem Französisch begrüsst. Sie wollte um alles in der Welt nicht Englisch mit uns sprechen. Sie sei in der katholischen Schule eben zweisprachig erzogen worden erklärte sie. „Aha, sie sind eine Frankosyriani und die lernen in der Schule französisch?“ „Ja genau so ist es“. „Aber ihre Tochter (um die 20), die spricht immer nur Englisch mit uns, sie ist also keine Frankosyriani, sondern eine Anglosyriani?“
„Nein!“ Und dann erklärte sie mir geduldig, selbstverständlich auf Französisch, dass mit Frankosyriani nicht ein frankophones sondern ein katholisches Mädchen aus Syros bezeichnet wird. Dasselbe hörten wir dann nochmals von ihrer Tochter auf Englisch, als ich diese „provokativ“ als Anglosyriani bezeichnete.
Woher kommt das. Schon Anfang 19. Jh. gründeten katholische Mönche aus Frankreich Schulen auf Syros, darunter die erste Mädchenschule Griechenlands. Die meisten Katholikinnen wurden deshalb, in dieser, zweisprachig geführten, „école des frères“ erzogen. Erst 1968 wurde diese Schule geschlossen, bzw. in eine normale griechische Schule umgewandelt (ich vermute, es waren wohl die Obristen, die diese „ungriechische“ Schule umwandelten, verifizieren konnte ich das allerdings nicht). Alle Frankosyrianes die nach 1968 zur Schule gingen, profitierten deshalb nicht mehr von diesem Französischunterricht und sie sind heute, wie die orthodoxen, zu ganz gewöhnlichen „Anglosyrianes“ geworden.
Aber was ist denn nun mit der ganz bestimmten Frankosyriani, dem hübschen Mädchen aus dem Lied von Vamvakaris? 1996 habe ich es nicht gefunden. Erst hinterher beim Schneiden des Videofilms, der u.a. einen Abendspaziergang durch Ano Syros zeigte, kam mir der Gedanke, dass vielleicht eine der alten, schwarz gekleideten Frauen, die vor ihren Häuser saßen, dieses Mädchen aus dem Lied sein könnte. Immerhin hat Markos Vamvakaris dieses Lied 1940 (nach anderen Quellen bereits 1935) geschrieben. Wenn er das damals für ein 18-jähriges Mädchen tat, müsste dieses 1996 mindestens 74 gewesen sein.
Und heute (2009) müsste es um die 90 sein. Wie gerne hätte ich dieses „Mädchen“ kennengelernt.
Als erste fragte ich die hübsche und sehr nette Dame an der Rezeption (die unheimlich Freude an meinem Griechisch hatte) ob sie vielleicht eine Frankosyriani sei. „Nein, orthodox, wieso?“ „Ich suche die Frankosyriani aus dem Lied von Markos, das hübsche Mädchen“. „Da müssen sie am Besten in Ano Syros suchen“, meinte sie lachend – „aber das Mädchen müsst jetzt schon ziemlich alt sein“.
Mein Plan war, abends durch Ano Syros zu spazieren und die vor den Häusern sitzenden alten Frauen mit „Bonsoir“ zu begrüßen. Wetter, Transportmittel und andere Umstände sorgten dann aber dafür, dass wir uns Ano Syros an einem Vormittag anschauten – da saßen logischerweise keine alten Frauen vor den Häusern. In der Nähe des Markos Vamvakaris Platzes und des Vamvakaris Museums, gibt es aber noch die Taverne Lilis - das ehemalige Stammlokal des bereits 1992 verstorbenen Rembeten. Heute besteht es oben aus einem großen Restaurant mit Aussichtsterrasse und guter Küche. Unten im Haus gibt es aber noch die alte Taverne, in der früher Markos aufgespielt hatte. Sie ist noch voll eingerichtet, ausstaffiert mit alten Weinfässern, dekoriert mit vielen Bildern und alten Fotografien. Sie dient heute als eine Art Museum, das man frei besichtigen kann. Als ich eintrat saß das alte Besitzerehepaar im Raum, als würde es sehnlichst auf Besucher warte. Nein, Trinken könne man da nichts, das Restaurant sei oben, öffne aber erst in einer Viertelstunde. Aber ich solle doch fotografieren und filmen. Er sei nämlich der Lilis, ein guter Freund von Markos, was er anhand von alten Fotos auch beweisen konnte.
Endlich der Experte der mir die Frage beantworten konnte: „Xeris pia itan i Francosyriani, i omorfi kopella ap to tragoudi; Tin yparchei akoma;“ (Kanntest Du die Frankosyriani, das hübsche Mädchen aus dem Lied. Und lebt sie heute noch?). Er verdrehte auf die typische Art die Augen und hob den Kopf an. Nein! Die hat nie existiert, nur im Kopf von Markos.
Schade, das wäre doch eine so schöne Geschichte gewesen. Er tröstet mich aber mit den Worten: „Es gibt viele hübsche Frankosyrianes auf Syros".
Später auf der Platia Miauli in Ermoupolis habe ich dann doch noch eine hübsche Frankosyriani getroffen. Die Platia vor dem überdimensionierten Rathaus ist abends wohl der größte Kinderspielplatz und Laufsteg Griechenlands. Zwischen kichernden Teenagern und spielenden Kindern, drehten vor allem junge Mütter und Väter ihre Voltarunden und präsentierten ihren sauber herausgeputzten Nachwuchs. Wir saßen in einem Café und schauten bei einem Frappe dem bunten Treiben zu. Meine Frau Sylvia macht mich auf eine Verehrerin aufmerksam: „Endlich eine hübsche Frankosyriani, die dir schöne Augen macht!“ Am Nebentisch saß eine Familie Vater, Mutter und Tochter. Den Kettchen mit dem Kruzifix nach, das die Tochter trug, offensichtlich Katholiken, also Frankosyrianes. Die ausnehmend hübsche Tochter strahlte mich die ganze Zeit aus ihren tiefschwarzen Augen an, winkte und lächelte mir zu. Als ich zurück winkte, drehte sie sich zu ihrem Vater um, zeigte auf mich und fragte: „Papus?“ (Großvater?).
Meine neue Verehrerin war so um die zwei Jahre alt. Aber immerhin ist damit klar, für Nachwuchs an hübschen Mädchen auf Syros ist gesorgt.
Vielleicht sollten sich auch mal die jüngeren unserer Mitglieder auf den Weg nach Syros machen.