Kapitän Iannis ist daheim auf der kleinen, vielfach noch unberührten Insel Agathonisi im Dodekanes. Zu dieser Gruppe von 12 Inseln (dodeka heißt auf Griechisch 12) gehören so bekannte Eilande wir Kos, Karpathos oder Rhodos. Iannis hat viele Verwandte auf Agathonisi und so geht sein schmuckes Boot an diesem Junisonntag auf die 1 ½ stündige Reise von Samos auf die „Vogelinsel“. Wenn also jemand aus des Capitanos Freundes- oder Verwandtenkreis Namenstag hat, dann packt Iannis noch ein paar Touristen in sein Schiffchen und so ist die Überfahrt auch gleich finanziert.
Als unersetzliches Refugium für seltene Seevögel wurde Agathonisi nebst einigen noch kleineren Inselchen in direkter Nachbarschaft hierfür in das Schutzprojekt „Natura 2.000“ aufgenommen. Mit der Agia Irini nähern wir uns Agathonisi von der Samos zugewandten Südseite. In einer Bucht erscheint ein kleiner natürlich Hafen, zwei andere Boote haben bei einer einzelnen Hütte nebst Tiefkühltruhe festgemacht. Das scheint alles zu sein, etwa eine unbewohnte Insel ? Auf uns 10 Bootsinsassen wartet indes schon einer der typischen griechischen Kleinlieferwagen, auf dessen offener Laderampe wir nun nach Megalo Chorio gebracht werden, den Hauptort der Insel. Etwa 150 Meter geht es von der Landungsstelle auf steinigem Feldweg steil nach oben, wo der sandige Pfad dann überraschend in deine autobahnähnliche Schnellstraße einmündet. Ebenso unsinnig und störend auf einem Eiland mit vielleicht insgesamt 50 Autos, auf dem es nicht einmal eine Tankstelle gibt. Das schwarze Asphaltband schlängelt sich nun, von allen Seiten gut sichtbar, dem ältesten und berühmtesten Dorf Agathonisis entgegen. Versteckt auf dem Berg, nicht sichtbar vom Meer aus, hat sich Megalo Chorio so über die Jahrhunderte hinweg vor den Angriffen räuberischer Piraten „unsichtbar gemacht“. Die kleinen Häuser weisen eine besondere Architektur auf, sind sie doch zumeist von auffallenden Steinwällen umrahmt. Hier riecht es nach den frischen Kräutern der Umgebung und es duftet nach kräftig-würzigem Brot, das gerade irgendwo im Dorf wohl gebacken wird. Außergewöhnlicher Weise hat sogar die kleine Präfektur am Sonntagmorgen geöffnet und hier bekommen wir sogleich einen Eindruck über die herzliche und noch sehr natürliche griechische Gastfreundschaft. Außer dem Hauptdorf gibt es nur noch zwei kleinere Siedlungen, Micro Chorio und Agios Georgios. Letzteres weist gerade einmal 15 Einwohner auf.
Verwaltungsmäßig gehört Agathonisi zum „Klosterstaat“ der Nachbarinsel Patmos, die auch als „Insel der Apokalypse“ bezeichnet wird. Da verwundern dann auch nicht die vielen über Agathonisi verstreuten Kapellen, die wohl ein Zeugnis geben von der Frömmigkeit ihrer Bewohner. Am 27. Juli eines jeden Jahres wird bei der Kirche Agios Panteleimonas ein großes Fest zelebriert, wo dann Süssigkeiten, im Holzofen gebackenes Brot und frischer Fisch und Fleisch aus der unmittelbaren Nachbarschaft offeriert werden. Der nächste große Feiertag ist mit der „Kleidona“ am 15. August (Maria Himmelfahrt) ein besonders erwähnenswerter Termin. Auf den Platias werden die „ägäischen Feuer“ gezündet, die die Dorfbewohner dann zur Reinigung von bösen Geistern überspringen müssen. Dann wird noch am 29. August der Enthauptung Johannes des Täufers gedacht. An diesem Tag ernähren sich die Einwohner ausschließlich von Trauben und Meeresfrüchten, denn, der Sage nach werden sie, wenn sie da etwas anderes essen, von einem bösartigen und unbekannten Fieber befallen. Eine Legende rankt sich schließlich auch um die fünf real existierenden großen Höhlen der Insel, die durch unterirdische Hallen den Westen und Norden Agathonisis miteinander verbinden sollen.
Unsere kleine Gruppe ist den Berg hinunter gewandert nach Agios Georgios. Hier ist der Fährhafen für die Schiffe, die während des Sommers Agathonisi täglich mit Samos, Patmos, Kalimnos, Lipsi und Leros verbinden. Einige schöne Strände hat es hier auch und vor allem soll es in Agios Georgios „den frischesten Fisch der Ägäis“ geben. Uns hat es entsprechend gemundet, bevor uns dann die Agia Irini, diesmal bei etwas stärkerem Seegang, zurück nach Samos schaukelt. Für einen Tagesausflug ist Agathonisi immer empfehlensert. Wer dort länger verweilen will, sollte indes ein Faible haben für Stille, Meeresrauschen und hin und wieder das Geschrei der Seemöven.