Die Sammlung von Pavlos und Alexandra Kanellopoulos ist seit 1976 in einem prächtigen neoklassizistischen Gebäude aus dem späten 19. Jh. am Nordhang der Akropolis untergebracht. Die bedeutende Kunstsammlung enthält Werke nahezu aller Perioden des künstlerischen Schaffens Griechenlands von der Prähistorie bis in die jüngste Vergangenheit. Sie stellt sozusagen eine künstlerische Arche dar, an der die Griechen über die Jahrhunderte hinweg gearbeitet haben.
Wenn Sie die umfangreichen und vielbesuchten Museen ermüden oder Sie nicht ausreichend Zeit für einen Besuch der wichtigsten Museen der Hauptstadt mitbringen, stellt das Kanellopoulos-Museum die beste Lösung dar.
Sehr hilfreich ist der am Eingang erhältliche, von Marina E. Brouskari verfasste Katalog des Museums (auch in englischer Übersetzung erhältlich), auf den man während des Besuchs immer wieder zurückgreifen kann. Es handelt sich um einen mustergültigen Katalog, der mit kurzen informativen Texten in alle Zeitabschnitte und Objektkategorien einführt und die meisten Ausstellungsstücke ausführlich bespricht.
Will man die Objekte in der chronologischen Abfolge besichtigen, beginnt man im zweiten Raum des oberen Halbgeschosses. In Vitrine 51 sieht man Fundstücke aus neolithischer Zeit, während der die Menschen den Ackerbau und die Tierhaltung erlernten, sich zu kleinen ländlichen Siedlungen zusammenschlossen und Gottheiten verehrte, die mit der jährlichen Wiedergeburt der Natur in Verbindung gebracht wurden. Aus dieser Zeit stammt die weibliche Statuette des sog. fettleibigen Typs, zwei weibliche Bleistatuetten, die Steinwerkzeuge und die beiden Kannen.
In Vitrine 50 sieht man Beispiele der Kunst der Kykladen aus dem 3. Jahrtausend v. Chr., als die Inselgruppe aufgrund ihrer Lage an einer der wichtigsten Handelsrouten und aufgrund der Marmor- und Obsidianvorkommen auf Paros und Melos eine Zeit der Blüte erlebte. Man erkennt bei den sog. Kykladenidolen die ersten Versuche, die Charakteristika des Gesichts und Bewegung darzustellen. Unterhalb einer Reihe von Kykladengefäßen sind einige Prähistorische Vasen von der Insel Zypern ausgestellt.
Die Vitrine 49 enthält einige Funde aus der Blütezeit der vielseitigen minoischen Kultur: kleine Terrakottaköpfe mit plastisch angegebenen Augen, Bronzestatuetten, eine weibliche Statuette mit dem charakteristischen glockenförmigen Gewand, reliefgeschmückte Gefäße, Bronzedolche und Siegel aus Halbedelstein; die Objekte in der Vitrine 53 stammen aus der Zeit des Niedergangs dieser Kultur.
Die goldreiche mykenische Kultur der Achäer repräsentieren die Funde in den Vitrinen 49 und 53. Man sieht kleine und große Gefäße, Saugflaschen, Schwerter, Dolche und Lanzenspitzen sowie eine Statuette mit vor den Körper genommenen (Typus Phi) und eine mit wohl im Gebetsgestus erhobenen Armen (Typus Psi).
In einer Wandvitrine desselben Raums sind mykenische Schmuckstücke ausgestellt; eine weitere enthält Beispiele der Kulturen des Nahen und Mittlere Ostens, darunter einige ägyptische Stein- und Bronzestatuetten sowie eine Bronzestatuette des Helden Gilgamesch aus Mesopotamien.
Im folgenden Raum werden Fundstücke aus geometrischer Zeit gezeigt. In Vitrine 47 sind Gefäße aus Attika ausgestellt, darunter eine Kanne mit einem Pferd und Vögeln zwischen geometrischen Ornamenten, zwei Pyxiden mit kleinen Pferdestatuetten auf dem Deckel und ein Terrakottawagen mit Krieger. In Vitrine 48 sieht man Bronzestatuetten und in Vitrine 45 Gefäße aus Glasmasse aus Phönizien.
Auf dem Absatz der zum Obergeschoss führenden Treppe sind in zwei gegenüberliegenden Vitrinen Schmuckstücke überwiegend aus Gold ausgestellt. Vitrine 54 enthält Schmuck aus klassischer und hellenistischer Zeit (Halsschmuck, Armreife, Ohrgehänge, Ketten und Anhänger), Vitrine 55 Beispiele persischen Schmucks aus dem 5. Jh. v. Chr.
Der linke Saal des Obergeschosses ist der archaischen Zeit gewidmet. In Vitrine 56 kann man die Entwicklung der korinthischen Vasenmalerei verfolgen, die aufgrund der überragenden wirtschaftlichen Rolle der Stadt zu Beginn des 6. Jhs. v. Chr. zur Zeit des Tyrannen Periander eine große Blüte erlebte, der später als einer der Sieben Weisen der Antike galt. Man sieht Lekyten, Alabastra, darunter eines mit einer Tanzdarstellung, kugelige Aryballoi (Salbgefäße), große Vasen wie die Kleeblattkanne und flache sitzende oder stehende Votivstatuetten, die sog. Brettidole.
Archaische Vasen und Statuetten aus verschiedenen Landschaften sind in Vitrine 57 ausgestellt; die Fundstücke in der folgenden Vitrine stammen von Kreta und gehören dem 7. Jh. v. Chr. an. In den Vitrine 59 und 60 sieht man Waffen und Gerätschaften aus Bronze und in Vitrine 62 Schmuck aus geometrischer und archaischer Zeit. Im selben Raum steht auf einer eigenen Basis der Bronzeschnabel eines Kriegsschiffs.
In den Vitrinen 63-68 und 90 im Hauptsaal des ersten Obergeschosses sind Vasen und Statuetten aus Böotien ausgestellt, die aus der Zeit zwischen dem 8. und dem 5. Jh. v. Chr. stammen, unter ihnen Brettidole, eine thronende Göttin, eine schwarzfigurige Schale auf der Basis 64, die als eines der bedeutendsten Gefäße dieser Zeit gilt, ein Kantharos auf Basis 66 und in Vitrine 90 die bekannten kleinen böotischen Protomen, die als Kultgegenstände angesehen werde. Die größte von ihnen, die über der Vitrine aufgehängt ist, stellt den Gott Dionysos dar.
Der Rundgang führt uns nun zu den herrlichen attischen Gefäßen des 6. Jhs. v. Chr.: Schalen und Tonlampen in Vitrine 70, eine ausgezeichnet erhaltene Hydria mit der Darstellung von Athenerinnen, die am berühmten Enneakrunos-Brunnen auf der antiken Agora Wasser schöpfen, auf der Basis 71 und die beiden berühmten Amphoren des Nikosthenes.
Im selben Saal sieht man außerdem Statuetten und Protomen aus spätarchaischer Zeit (Vitr. 72), Schmuck, darunter ein Kranz mit 48 goldenen Olivenblättern (Vitr. 77), eine schwarzfigurige Amphora auf der Basis 79 und in Vitrine 78 Beispiele unterschiedlicher Gefäßformen aus dem 6. Jh. v. Chr. (Kratere, Amphoren, Oinochoen, Trinkschalen, Kyathoi, Korylen und Lekythen). Ausgezeichnete Beispiele des gegen Ende des 6. Jhs. einsetzenden rotfigurigen Stils bilden der Krater mit der Abschiedsszene auf dem Sockel 80 und die Trinkschale auf Sockel 81, auf dem Dionysos und tanzende Selene dargestellt sind. Nicht übersehen darf man den kleinen weiblichen Marmorkopf aus der Zeit des strengen Stils (480-450 v. Chr.) in Vitrine 84 und die weißgrundigen Grablekythen in den Vitrinen 91, 92 und 110.
Besonders bemerkenswert sind unter den in den folgenden Vitrinen ausgestellten Bronzen die Hermesstatuette und der Spiegel in Vitrine 93, dessen Griff als junge, mit dem Peplos bekleidete Frau gestaltet ist, die Oinochoen mit den kunstvoll gearbeiteten Henkeln in Vitrine 108 sowie die ärztlichen Instrumente und die Gewichte in Vitrine 94, die aus verschiedenen griechischen Landschaften stammen.
In Vitrine 98 kann der Besucher Schmuckstücke, Siegel und Ringsteine vor allem aus griechisch-römischer Zeit und eine kleine Glassammlung bewundern, während in Vitrine 99 u. a. Statuetten und Masken der Neuen Komödie aus dem späten 4. Jh. v. Chr. ausgestellt sind, deren Hauptvertreter der Dichter Menander gewesen ist.
In Vitrine 102 sieht man Kleinkunst aus griechisch-römischer Zeit, die seit den Eroberungen Alexanders d. Gr. durch die Übernahme zahlreicher Elemente weit entfernter Kulturen gekennzeichnet ist; charakteristisch sind das Gefühlsbetonte und Gekünstelte. Besonders reich ist die gemeinsam mit Vasen aus dem 4. und 3. Jh. in Vitrine 105 ausgestellte Sammlung von Tanagrafiguren, weiblichen Tonfiguren aus der gleichnamigen Stadt in Böotien, die vor allem dekorativen Charakter besaßen.
Nicht weniger reich ist die Münzsammlung, die Münzen von der archaischen Zeit bis zur Spätantike umfasst und in der letzten Vitrine des Saals präsentiert wird.
Um die Ausstellungsstücke aus der Nachantike ansehen zu können, kehren wir ins Erdgeschoss zurück und setzen den Rundgang im Raum neben dem Eingang fort.
Hier sind zunächst hervorragende Beispiele der byzantinischen und nachbyzantinischen Kunst zu nennen, unter denen die Ikonen nahezu aller bedeutenden Malerschulen besonders hervorstechen: das Jüngste Gericht über Vitrine 3, die Ikone mit Christus und den Heiligen Georgios und Dimitrios rechts des Eingangs, der Tod Mariens aus dem späten 14. Jh., ein herausragendes Werk der Schule von Konstantinopel, die Enthauptung der heiligen Paraskevi von Michail Damaskinos, den viele als den wichtigsten Vertreter der Kretischen Schule betrachten, und die Ikone mit Christus und der guten Samariterin aus derselben Schule. Zwei Ikonen mit Christus bzw. der Panagia Glykophiloussa sind dem bedeutenden kretischen Ikonenmaler des 17. Jhs., Emmanouil Lampardo, zugewiesen worden. Eine weitere gibt Johannes den Täufer wieder.
In den Vitrinen und auf den Sockeln in den beiden Räumen des Erdgeschosses sieht man Goldstickereien, koptische Stoffe aus dem 7. Jh., tönerne Weihwassergefäße, Bronzeampeln aus frühchristlicher Zeit, Schmuck aus früh- und mittelbyzantinischer Zeit, Kirchengerät, Gefäße, Bleibullen, mit denen die Byzantiner die Briefe versiegelten, und eine reiche Sammlung byzantinischer Münzen.
Bevor man ins untere Halbgeschoss hinabgeht, sollte man vor den drei Mumienporträts aus dem Fayum in Ägypten verweilen; sie stammen aus dem 2. Jh. n. Chr. und bilden den Ausgangspunkt der byzantinischen Malerei und Ikonographie.
Von den im unteren Halbgeschoss ausgestellten Ikonen seien genannt: die Panagia tou Pathous, bei der die tiefgrüne Farbe der Renaissance vorherrscht, die ebenfalls westlich beeinflussten Ikonen der Grablegung Christi, signiert von Emmanouil Tzanes, der Geburt Mariens von Theodoros Poulakis mit der charakteristischen Renaissancearchitektur im Hintergrund und des Todes Mariens, die Ioannis Moskos zugewiesen wird.
In den Vitrinen dieses Saals sieht man hölzerne und tönerne Brotstempel mit verschiedenen Darstellungen, Schmuck aus Konstantinopel aus der Zeit nach der Plünderung, Broschen und Brustmedaillons aus Gold und Edelsteinen und eine bedeutende Sammlung von Schriften, darunter Briefe von Patriarchen und seltene Buchausgaben aus dem 16.-19. Jh.
Im Untergeschoss sind Ikonen überwiegend aus neuerer Zeit ausgestellt, darunter eine des bekannten Volksmalers Theophilos Chatzimichail, die der Zoodochos Pigi von Nikiphoros, eine russische Marienikone mit vergoldeter Metallverkleidung, die der Agia Ekaterini des in Chania geborenen Priesters an der Kirche des Agios Georgios in Venedig Philotheos Skouphos und das Triptychon mit der Deesis von der Hand des koischen Mönchs Panaretos.
Die Vitrinen beinhalten verschiedene kirchliche und profane Gegenstände, darunter eine reiche Sammlung von Silberbechern, Stickereien, volkstümlichen Schmuck, kleine Ikonen u. a. von Michail Damaskinos, Triptychen, ledergebundene Evangeliarien sowie kleine Objekte, wie Siegel, Schlüssel, Brustmedaillons und vergoldete Silberbestandteile von Trachten.
Einen besonderen Rang nehmen innerhalb der Sammlung die geschnitzten Holzkreuze aus dem 17. Jh. und danach ein. Die kleinteilig geschnitzten Meisterwerke sind überwiegend aus Zypressenholz gearbeitet; sie zeigen Szenenfolgen aus dem Neuen Testament und waren in ebenfalls reich verzierte Metallrahmen eingelassen, die mit Edel- und Halbedelsteinen besetzt waren.
Natürlich dürfen in einem Museum dieses Rangs auch die Skulpturen nicht fehlen. Im kleinen Innenhof des neoklassizistischen Hauses sieht man marmorne Grabstelen und Grablekythen aus Attika vor allem aus dem 4. Jh. v. Chr., außerdem im ersten Obergeschoss Fragmente von Grabreliefs u. a. mit einem weiblichen Kopf und eine Büste Alexanders d. Gr. aus römischer Zeit.
Kanellopoulos Museum
Ecke Theorias- und Panos-Straße, Plaka, 10555 Athen
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Erevnites Edition
GR.OK.F.B.
M. Str.